Neulich war ich wieder mal im Kino. «John Wick, Kapitel 4» stand verheissungsvoll auf dem Programm, mit Keanu Reeves. Ein Werk des Genres «Neo-Noir» sei es, las ist. Das klang geradezu intellektuell, aber allzu viel erwartete ich trotzdem nicht.
Da die drei ersten Teile ungesehen an mir vorübergegangen waren, hatte ich von dem, was man mir nun vorsetzen würde, bloss diffuse Vorstellungen: vielleicht ein bisschen James Bond, eine Prise Matrix, eine halbwegs raffinierte Handlung, einigermassen spannende Szenen und etwas Action. Was man sich an Feierabend zur Unterhaltung halt so reinzieht.
Was ich dann zu sehen bekam, war nichts von alledem. Es war eine zweieinhalbstündige Schiesserei und Schlächterei ohne Unterbruch. Pistolen knallten, japanische Schwerter blitzten. Gewehre bellten, Gewehre ratterten. Pistolen knallten. Pistolen knallten. Pistolen knallten. Menschen starben, wohl an die Hunderte. Paff, paff, paff. Am Laufmeter, am Laufband. Das war die ganze Handlung: Einer schoss, alle starben. Und das Publikum unterhielt sich köstlich. Es wurde viel gelacht.
Im Vorfeld meines Kinobesuchs hatte ich in einer Zeitung gelesen, dass manche Fans in den USA auf Social Media die Länge des Films ein bisschen bemängelt hatten und fanden, es wäre auch etwas kürzer gegangen. Worauf der Regisseur antwortete, man habe das Material mit der grössten Sorgfalt geschnitten und daraus einen Film gemacht, «der so ist, wie wir uns einen guten Film vorstellen».
So stellt man sich in Hollywood also einen «guten Film» vor? Ausgerechnet im zartbesaiteten und hypermoralischen Milieu der Intellektuellen und Kulturschaffenden in den USA, wo sich empfindsame Studenten in Safe Spaces einigeln, statt hart zu diskutieren? Wo Aktivist*innen im Alltag überall «Mikro-Aggressionen» wittern, die es aus dem Spektrum des menschlichen Verhaltens radikal auszumerzen gilt? Wo man zutiefst empört aufheult, wenn jemand irgendeinen politisch etwas unkorrekten, ansonsten aber harmlosen Spruch klopft?
Und gleichzeitig ist es ok, wenn in einem Film ein stoischer Killer in Anzug und Krawatte serienmässig Leute umlegt? Das erzeugt keinen moralischen Shitstorm, keinen Tsunami der Empörung, keine Demonstrationen gegen die kommerzielle Verherrlichung von Gewalt?
Ich habe schon den einen und anderen Film gesehen, in dem Gewalt eine erhebliche Rolle spielt. Einen Film, in dem das Töten so unverhohlen plump und dumpf zelebriert wird wie in «John Wick, Kapitel 4», noch nie. Nun gut. Ich habe ihn jetzt wenigstens gesehen und kann mitreden. Und werde mein bisher unverkrampftes Verhältnis zu Action-Filmen gründlich überdenken.