Was ist eigentlich ein Verschwörungstheoretiker? Ist das einer, der sich kritisch äussert? Ich denke nicht. Ein Verschwörungstheoretiker ist meines Wissens einer, der wirkungsmächtige Geschehnisse in eine geheimnisvolle Verschwörung eingebettet sehen will. Wer also behauptet, dass in diesem Frühjahr Bill Gates mit chinesischer Unterstützung absichtlich die Seuche Covid-19 in die Welt gesetzt habe, um die Menschheit durchimpfen und dann auch noch gleich heimlich chippen zu können, der ist in der Tat ein Verschwörungstheoretiker.
Wenn aber jemand in der Zeitung sagt, die derzeit geltenden Covid-Massnahmen seien vielleicht doch ein bisschen unverhältnismässig, gemessen an der Tatsache, dass im Moment kaum jemand krank ist? Ist er dann ein Verschwörungstheoretiker? Wohl kaum. Und doch bekommt er bei solchen Äusserungen, bumm!, sofort diesen öden Stempel aufgedrückt. Nicht nur in den Leserkommentaren, sondern zur Sicherheit auch noch gleich von den Journalisten selbst.
Ich staunte nicht schlecht, als ich heute auf der Letzten der BZ einen Beitrag über Marco Rima sah, in dem der Schweizer Komiker als «Clown der Verschwörungsmystiker» tituliert wurde. Gespannt las ich den Artikel, weil ich wissen wollte, welche paranoiden Hirngespinste der professionelle Spassmacher in der Radiostunde bei Schawinski offenbar abgesondert hatte. Ich wurde zünftig enttäuscht; keine einzige der zitierten Äusserungen hatte auch nur annäherungsweise verschwörungstheoretisches Potenzial.
Rima vertrat am Radio die Ansicht, die meisten Leute seien in der Corona-Pandemie «gut unterwegs», sterben würden nur die wenigsten. Für ihn aber gehe es in einer Demokratie «um die Mehrheit». Die könne man doch nicht einsperren. Und die Maskenpflicht impliziere, «dass wir alle krank sind».
Das ist, mit Verlaub, einfach eine kritische Meinung, die man ebenfalls kritisch hinterfragen darf, wenn man die Dinge anders sieht. Aber «Verschwörungsmystiker»? Was soll in diesem Zusammenhang dieses Etikett?
Und weiter: Über Corona-Schutzmassnahmen würde Marco Rima mit sich diskutieren lassen, wenn die Menschheit am Aussterben wäre, sagte er laut BZ. Aber das sei nicht der Fall. Und irgendwann müssten wir ja eh alle sterben. Deshalb würden in Corona-Zeiten die «Verhältnismässigkeiten» nicht stimmen.
Darf man das nicht sagen? Man darf, muss aber wissen: Wer solches sagt, ist ein Verschwörungsfantast und wird schlimmstenfalls in der Presse hochoffiziell als solcher gebrandmarkt. Und als Clown obendrein.
Etwas mehr Augenmass, Verhältnismässigkeit und Fairness in dieser zunehmend seltsam werdenden Covid-Debatte täte not. Und vor allem auch der Gebrauch der
richtigen Begriffe. Ich zum Beispiel lasse mich von meiner Frau höchst ungern als Verschwörungstheoretiker oder meinetwegen -mystiker bezeichnen, wenn ich ihr unterstelle, wieder einmal die
Küchenschere verlegt zu haben. Oder stimmt es in diesem Fall sogar? Ich meine, dass ich dann ein Verschwörungstheoretiker bin? Vermutlich schon. Es gibt tatsächlich Tage, an denen ich überzeugt
bin, dass sich alle gegen mich verschworen haben. Auch die Zeitung, die mich um mein verschwörungstheoretisches Leseerlebnis geprellt hat.