Erkenntnis bei einem Blick nach oben

Wie gerne würde ich als historisch interessierter Mensch in eine Zeitmaschine steigen und in die Vergangenheit reisen! Mal eben einem Steinzeitmenschen beim Sprechen zuhören. Aus sicherer Warte beobachten, wie die Germanen im Teutoburger Wald die Römer vertrimmen. Mitfeiern, wenn Karl den Grosse zum ersten deutschen Kaiser gekrönt wird.

 

Aber das geht nicht. Nicht nur, weil es im Moment noch keine Zeitmaschinen gibt, sondern vor allem, weil es nach Ansicht der meisten Physiker grundsätzlich nicht möglich ist, ein solches Ding zu bauen. Ein paar Theoretiker schliessen es zwar nicht grundsätzlich aus, fabulieren von sogenannten Wurmlöchern und Paralleluniversen – aber das ist viel zu vage, als dass man es als Grundlage für eine künftige Technologie ernstlich in Betracht ziehen könnte.

 

Als ich neulich das frühherbstliche Sternenmeer betrachtete, drang mir schlagartig ins Bewusstsein, dass es eben doch eine Zeitmaschine gibt. Ich stand mitten drin. Das Funkeln und Zwinkern der Sterne, das ich am Nachthimmel sah, waren Lichtemissionen, die die Himmelskörper, je nach ihrer Distanz zur Erde, vor zwei, fünf, hundert, tausend oder auch zehntausend Jahren abgestrahlt hatten. Die Sterne sind so weit von der Erde entfernt, dass es Jahre, Jahrtausende und Jahrmillionen dauert, bis ihr Licht durch die immensen Strecken im All auf der Netzhaut unserer Augen landet.

 

So kommt es, dass ich am Sternenhimmel in unendliche Vergangenheiten blicke, und daraus ergibt sich etwas Tröstliches: Sonne und Erde mögen irgendwann vergehen, aber irgendwo in den Tiefen des Alls glimmt meine, glimmt unsere Gegenwart noch in Jahrmillionen als feiner Lichtschimmer weiter. Was in der Konsequenz bedeutet, dass jeder Augenblick unseres Lebens in der nächsten Sekunde nicht nur Vergangenheit, sondern auch Zukunft ist – für einen künftigen Beobachter in grosser räumlicher Distanz, der meine vergangene Gegenwart als höchst gegenwärtige Vergangenheit wahrnehmen wird. Was allerdings das Vorhandensein einer Ausrüstung voraussetzt, mit der sich die Erde oder zumindest unsere Sonne überhaupt wahrnehmen lässt. Und vor allem müsste es ihn dann auch wirklich geben, diesen Beobachter… Oder gibt es ihn schon längst?