An der theologischen Fakultät hatten wir einen Professor, der im Weltkirchenrat tätig war und seine Vorlesungen stets mit Anekdotischem aus fernen Landen exotisch würzte. Er kam uns vor wie ein Seefahrer auf den Weltmeeren der Theologie. In der Tat hatte auch sein Äusseres etwas Seemännisches: Das kantige, braun gebrannten Gesicht war von einer kahlen Stirn kühn überwölbt und von einer Adlernase geprägt. Ein mächtiger Brustkasten spannte kraftvoll die Rollkragenpullover, die er mit Vorliebe trug.
Von einem vierschrötigen Raubein war der Professor aber weit entfernt. Seine Rede war leise, tastend, auf sorgsame Formulierung bedacht, sein Benehmen fein geschliffen. Er verströmte die Aura adligen Pastorentums. Ihm zuzuhören, war nicht nur spannend, es entführte uns auch in eine feierlich gehobene, um nicht zu sagen: entrückte Stimmung.
Und wieder einmal hatte er uns während einer Vorlesung in diesen Zustand versetzt. Er hatte feine verbale Netze gesponnen, Argumente kunstvoll eingewoben, Probleme freigelegt, Parallelen aus Geschichte und Gegenwart gezogen, Missstände angeprangert, politische Forderungen formuliert und sein Schiff schliesslich, ein gekonntes rhetorisches Manöver vollziehend, sicher in den Heimathafen der christlichen Versöhnlichkeit gesteuert. Es war weit mehr eine Meisterpredigt denn eine Vorlesung. Fast meinte ich zum Schluss, es müsse nun ein Amen kommen.
Amen kam keins. Stattdessen liess ein Studiosus, kaum hatte der Professor geendet, einen wischen. Einen Furz. Einen unsäglichen Furz. Es war dies kein Grollen, Rollen oder Knattern; es war ein Knall, eine anale Eruption, eine intestinale Explosion. Ein unflätiger Rüpel von einem Furz.
Wer’s war, liess sich nicht ermitteln. Alle verschanzten sich hinter der Fassade angestrengter Gleichgültigkeit: der Täter, weil er sich nicht schuldig bekennen wollte, alle anderen, weil sie die aufkeimende Lachlust um jeden Preis bezwingen wollten. Selbst der Professor legte beim Zusammenraffen seiner Manuskriptseiten eine unbeteiligte Lässigkeit an den Tag, die schon fast etwas Beschwipstes hatte.
Vom Ringen gegen den teuflischen Heiterkeitsdrang zeugte auch die Grabesstille, die für einen Pausenbeginn ganz und gar untypisch war. Nach dem Arschknall wurde während dreissig überlangen Sekunden kein Wort gesprochen.
Nach und nach entspannte sich die Situation. Einzelne Worte setzten ein, zuerst hier, dann dort, wurden lauter, verdichteten sich zu Gesprächen, erfüllten schliesslich den ganzen Saal und ergossen sich hinaus auf den Korridor. Die Normalität übertönte den peinlich stillen Nachhall des Furzes rasch. Mir wäre es freilich lieber gewesen, man hätte, statt scheinbar unbeteiligt eine halbe Minute zu schweigen, den Darmböller mit herzhaftem Lachen gewürdigt. Denn das Lachen zu unterdrücken, hatte mich grosse Anstrengung gekostet. Ich litt danach drei Tage an Muskelkater im Hals-, Bauch- und Brustbereich. Und überhaupt wird an theologischen Fakultäten viel zu wenig gelacht. Gefurzt hingegen schon. Aber meistens diskret.