Wenn das Böse triumphiert

Es ist Sommer. Landlauf, landab messen sich die Schwinger wieder im Wettkampf. Und die Sportjournalisten halten üppige Blütenlese, schreiben fleissig von den «Bösen» und ihrer Welt: «Jetzt steigen die Bösen wieder ins Sägemehl.» «Die Bösen haben keinen Nachwuchsmangel.» «Die Bösen treffen sich zum grossen Fest.»

 

Ich bitte euch, liebe Berichterstatter: Überdenkt den Gebrauch dieses kernigen Begriffs. Offenbar ist man in eurer Zunft der Meinung, ein «Böser» sei die folkloristische und in der ländlichen Sphäre allgemein anerkannte Bezeichnung für jene, die den Schwingsport ausüben. Ich muss euch enttäuschen: In diesem verallgemeinernden Sinn stimmt es nicht. Deshalb solltet ihr mit dem B-Wort etwas sorgfältiger umgehen.

 

Ich glaube ungefähr zu wissen, wie es vor vielleicht zehn, fünfzehn Jahren zu dieser medialen Marotte kam. Es muss vor einem «Eidgenössischen» oder sonst einem wichtigen Schwingfest gewesen sein, als ein vermutlich urbaner Sportjournalist für eine Vorschau recherchierte. Von den Auskunftspersonen aus dem Schwingermilieu bekam das staunende Bürschchen aus der grossen Stadt immer wieder Sätze zu hören wie: «Der XY könnte gewinnen, das ist ein ganz Böser.» «Der YZ hat sich in letzter Zeit gemacht, er ist ein recht Böser geworden.» «Auf den WX muss man ein Auge haben, auch er gehört zu den Bösen, wenn er die Nerven nur bis zum Schluss behält.»

 

Bei all diesen «Bösen» wird unserem faszinierten Journalisten das grosse Licht aufgegangen sein: Aha, ein Böser, das ist im urchigen Jargon des Landvolks nichts anderes als ein Schwinger! Aus dieser (freilich falschen) Annahme wusste der Schreiber Kapital zu schlagen. Er schwadronierte in seinem Text von den «Bösen», dass es eine Lust war. So sehr, dass sich die Journalisten der anderen Zeitungen anstecken liessen und sich dieses Worts fortan ebenfalls bedienten, wenn es um den Schwingsport ging. Das ist bis heute so geblieben, und Mässigung ist keine in Sicht.

 

In jedem Irrtum, in jeder Übertreibung steckt aber auch ein Stück Wahrheit. Fakt ist: Wer besonders währschaftes Berndeutsch spricht, braucht das Wort «böse» im volkssportlichen Kontext manchmal gleichbedeutend mit «sehr gut». Deshalb wird ein erfolgreicher Schwinger ganz korrekt als «böser» Schwinger bezeichnet (wie es zum Beispiel auch «böse» Schützen gibt). Das bedeutet aber: Nicht jeder Schwinger ist ein «Böser», nur die Spitzenathleten verdienen diesen Ehrentitel. Deshalb noch einmal, liebe Journi-Kollegen: Seid bitte so böse und hört mit dem inflationären Gebrauch dieses Wortes auf! Man darf einen Schwinger ruhig auch mal einen Schwinger nennen.