Kleiner Wunsch an die Künstliche Intelligenz

Die Künstliche Intelligenz, die unsere Bewegungen, Vorlieben und Verhaltensweisen im Weltweiten Netz analysiert, kennt uns besser als wir uns selbst, sagt man. Noch bevor eine Frau ahnt, dass sie schwanger ist, und bevor ein Mann merkt, dass er demnächst Kreislaufprobleme bekommt, weiss es die KI bereits.

 

Sie versorgt uns individuell mit Tipps, von denen sie glaubt, dass sie uns gefallen könnten. Mir zum Beispiel schlägt Facebook auffallend viele Artikel vor, bei denen es um Asteroiden geht, die mit zerstörerischer Wucht geradewegs auf die Erde zurasen.

 

Beim Lesen erfahren wir dann, dass der Feuerball laut den Berechnungen der Astronomen unseren Planeten nicht ganz treffen und auch nicht wirklich streifen, sondern um Millionen von Kilometern verfehlen wird, glücklicherweise. Uff, noch einmal davongekommen.

 

Was aber sagt die Tatsache, dass mich Facebook immer mal wieder mit Killer-Asteroiden bedient, über mich selbst aus? Mir schwant nichts Gutes. Vermutlich bin ich, ohne es zu wissen, ein verkappter Terrorist, der die Welt in Schutt und Asche legen möchte. Oder ein Apokalyptiker, der sich das schreckliche, aber verdiente Ende dieser Welt von göttlicher Hand herbeisehnt.

 

Schon allein die Tatsache, dass dieser Asteroiden-Horror auf den Sozialen Medien rege kursiert, zeigt, dass im tiefsten Inneren vieler Zeitgenossen die unbewusste Sehnsucht nach einer höheren Macht schlummert, die eingreift und dieser maroden Welt ein gewaltsames Ende bereitet, im Sinn einer metaphysischen Strafe, Reinigung und Läuterung.

 

Apokalypse nennt man dieses Ende, nach der Apokalypse des Johannes, dem letzten Buch der Bibel. Dieser Text offenbart, wie es in der Endzeit der Welt zu- und hergehen wird. Unter anderem ist von Himmelskörpern die Rede, die auf die Erde fallen und grössten Schaden anrichten werden.

 

Solche Szenarien erzeugen bei manchen Menschen einen wollüstigen Schauder: Seht her, so wird es uns ergehen, weil wir auf dem Irrweg sind! Dabei wird freilich ausgeblendet, dass die Apokalypse nicht nur vom Weltende, sondern – vor allem – auch von einem Neuanfang spricht, von einer neuen, besseren Welt.

 

Deshalb richte ich mich nicht an den Zerstörungsvisionen auf, die Johannes in seinem Text beschreibt. Sondern am berühmten, dem Reformator Martin Luther zugeschriebenen Satz: «Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen.»

 

Liebe KI – merke: Wenn ich letzthin auch einen oder sogar zwei dieser Asteroiden-Artikel angeklickt und sogar gelesen habe, heisst das noch lange nicht, dass ich ein Weltuntergangs-Fetischist bin. Du darfst mir in Zukunft ruhig auch mal eine Abhandlung über den Anbau und die Pflege von Obstbäumen servieren.