Die Elixiere des Teufels

Krimis lese ich ab und zu, Thriller oft. Wobei ich viele der Bände, die mich in der Leihbibliothek nach einem Blick auf die Titelseite interessieren, bereits nach der Lektüre des Klappentextes wieder ins Regal zurückstelle. Bücher mit offenkundig sadistischem Inhalt mag ich nicht lesen.

 

In den letzten Jahren ist die Spannungsliteratur immer brutaler geworden. Ganz gewöhnliche Bösewichter, wie sie einst den Detektiven Sherlock Holmes, Hercule Poirot und Lew Archer gegenüberstanden, haben nur noch nostalgischen Wert. Heute muss es ein irrer Massenmörder sein. Und Erwachsene als Opfer vermögen den verfeinerten Geschmack des Publikums oft nicht mehr zu befriedigen, es dürfen gerne auch mal Kinder sein.

 

Zustechen, Schiessen, Würgen und Erschlagen sind nicht mehr die klassischen Methoden der Wahl. Heute wird das Opfer vom Täter zuerst mit fast wissenschaftlicher Akribie sorgsam ausgewählt, dann bespitzelt und gestalkt, dann in Angst versetzt, dann in Panik getrieben, schliesslich gekidnappt und irgendwo in einer verlassenen Lagerhalle mit einer grässlichen, krankhaften, infernalischen Foltermethode möglichst langsam zu Tode gequält. Selbstverständlich wird dem geneigten Leser, der geneigten Leserin bis ins kleinste Detail geschildert, wie der Peiniger sein unheiliges Ritual gestaltet und wie das Opfer leidet.

 

Der Typus des pathologisch bösen, perversen und bestialischen Übeltäters hat sich in der Unterhaltungsliteratur der Gegenwart evolutionär durchgesetzt. Er ist das Destillat des Satanischen, das Konzentrat des Abgründigen. Und die Ermittler, die den Fürsten der Finsternis in diesen Romanen jagen, sind selber kaputte Gestalten, gebeugt vom täglichen Frust, zerrieben von der Vergeblichkeit, gedemütigt vom Leben.

 

Eine Lesergemeinde, der nur noch die kräftigsten Elixiere des Teufels gut genug sind, um sich literarisch zu ergötzen, darf durchaus ein bisschen besorgt stimmen. Das soll nun aber kein Aufruf sein, wieder die gute alte Miss Marple zu aktivieren. Lieber irgendwas zwischen den Extremen halt, zwischen pervers und betulich – also irgendwas zwischen Marquis de Sade und Agatha Christie. Damit wäre ich schon zufrieden.