Die Zukunft liegt im Piktogramm

Ein ordentlich verfasster, fehlerarmer Text eines 60-jährigen Menschen mit Realschulbildung ist keine Seltenheit. Dasselbe von einem 25-jährigen Akademiker zu erwarten, ist heute zu viel verlangt. Die Schreibkompetenz hat in den letzten Jahrzehnten deutlich, um nicht zu sagen drastisch abgenommen. Wer sich beruflich mit dem Verfassen und Bearbeiten von Texten befasst, kann davon ein Klagelied singen.

 

«Jungen» Texten mangelt es oft nicht nur an formaler Klarheit und stilistischer Ausdruckskraft. Auch handwerkliche Aspekte wie Orthografie, Zeichensetzung und Wortwahl werden zum Teil sträflich vernachlässigt. So kommt es, dass Geschriebenes frisch ab Uni heute oftmals unschön und unpräzise, Schriftliches frisch ab Volksschule oftmals schlicht unverständlich ist.

 

Wen wundert dies bei einer Generation, die nicht mehr liest? Die beste Schreibschule wäre immer noch das Lesen. Wäre – aber eben. Und dieses Manko hat durchaus Folgen: Wer nicht mehr so zu schreiben versteht, dass er auch verstanden wird, sorgt im beruflichen Schriftverkehr für zeitraubende und nervtötende Missverständnisse aller Art. Zudem beraubt er oder sie sich eines wichtigen Mittels, um sich auch in persönlichen Angelegenheiten treffend, geschmeidig und zielführend auszudrücken.

 

Nun – dies mag in der Theorie des 60-Jährigen, der ich nächstes Jahr sein werde, stimmen. In der Praxis der Jungen stimmt es nicht. Sie kommunizieren unablässig und offenbar ziemlich frei von Missverständnissen. Ihre Mittel sind nicht der unerschöpfliche Wortschatz, der mit Synonymen nur so um sich wirft, und nicht der geschliffene hochsprachliche Stil, der literaturpreiswürdig ist. Sondern Dialekt, Foto und Piktogramm. Es ist roh, und es funktioniert.

 

Mit Interesse verfolge ich in diesem Zusammenhang die zunehmende Bedeutung des grafischen Symbols beziehungsweise Piktogramms oder Emojis. Es sind gegenständliche Bildzeichen, ähnlich denen, wie sie in den ersten Schriften der Menschheit verwendet wurden. Die Rückentwicklung des abstrakten Buchstabens zu einer bildhaften Emoji-Schrift, die aus augenzwinkernden Gesichtern, betenden Händen, roten Herzchen und anderen vorgestanzten Bedeutungsträgern besteht, wirkt auf den ersten Blick wie ein krasser Kulturverlust.

 

Aber ist es das wirklich? Die Emojis werden immer zahlreicher und differenzierter. Vielleicht können wir in zehn Jahren auf einen Bestand zurückgreifen, der jenem der reichen chinesischen Schrift in nichts nachsteht. Damit werden sich vielleicht sogar wissenschaftliche Zusammenhänge ausführen, philosophische Gedankengänge darlegen und subtile Gedichte niederschreiben lassen.

 

Man müsste sich zwar mindestens 5000 Piktogramme und deren Bedeutung merken. Dafür aber böte dieses Schriftsystem den Vorteil, dass es Inhalte über jede Sprachgrenze hinweg transportieren könnte, ungeachtet von Wortlaut und Aussprache. So gesehen sind Emojis zwar nicht unbedingt eleganter als der Buchstabe, dafür aber universaler. Ich bin gespannt, wie es weitergeht.