Ein grosses Schweizer Medienhaus hat zu diesem Thema jüngst eine Umfrage durchgeführt, somit ist es jetzt quasi amtlich: Etwa drei Viertel der Bevölkerung in der Schweiz lehnen das «Gendern» öffentlich und privat ab, den Genderstern sogar 95 Prozent. Sehr ähnlich sieht es in Deutschland aus.
Berücksichtigt man bei den Resultaten auch die pseudomoralischen Falschaussagen mancher Befragten, dürfte der Anteil jener, die mit Gendersprache nichts am Hut haben, sogar noch grösser sein und gegen hundert Prozent tendieren. Die Verwendung geschlechtsneutraler und (angeblich) diskriminierungsfreier Begriffe ist ein von einer lautstarken, unduldsamen Mikro-Minderheit eingeforderter sprachlicher Murks, den (fast) niemand will.
So weit, so gut. Natürlich liefert das Medienhaus zu seiner grossen Umfrage aber auch eine journalistische Einbettung. Darin kommt ein Sprachwissenschaftler zu Wort, der verkündet: Der Genderstern sei die Errungenschaft einer liberalen Gesellschaft, «die wir wohl fast alle toll finden». Gewisse Kreise aus der politischen Rechten würden dieses Symbol aber gezielt skandalisieren.
Echt jetzt? Sitzt der leidige Diabolus wieder einmal rechts? Man erlaube mir, dass ich, als im Lauf der Jahre naturgemäss ein bisschen konservativ gewordener 60-Jähriger, eine Gegenthese aufstelle. Ich behaupte: Der Genderstern wird nicht skandalisiert, sondern instrumentalisiert. Und dies nicht von konservativen Kreisen. Sondern von progressiven Gesinnungstätern, die, unter anderem mit Hilfe der Sprache, eine radikal egalitäre, geistig gleichgeschaltete, traditionsbefreite und womöglich geschlechtslose Gesellschaft bauen wollen.
Ich gehöre zu denen, die das so nicht wollen. Viele andere offenbar auch nicht. Die klare Absage an eine überspitzte und verbohrte Gendersprache ist somit nicht nur eine sprachpolitische, sondern auch eine gesellschaftspolitische Positionierung. Man muss auch einmal Nein sagen.
Die klassischen Anreden «Sehr geehrte Damen und Herren» oder «Liebe Frauen und Männer» sind für mich inklusiv genug. Gewissen Leuten ist das geschlechtlich allerdings zu wenig neutral und damit zu wenig einfühlsam.
Darüber brauchen sie sich allerdings nicht wirklich Sorgen zu machen. Denn in besagtem Zeitungsartikel versprüht eine Historikerin Optimismus: «Genderneutrale Sprache wird sich letztlich in der einen und anderen Form durchsetzen», ist sie überzeugt.
Ich fürchte: Diese Sprache wird sich nicht von selbst durchsetzen. Man wird rabiat dafür sorgen, dass sie sich durchsetzt. Mit willkommener Hilfe jener, die es ohne Widerrede hinnehmen, um sich bloss keinen Ärger aufzuhalsen.