Die unbändige Kraft der Natur

Im Blogeintrag vom 21. April 2023 berichtete ich über die vollständige Rodung des verwunschenen Parks rund um die Villa «Schlössli» am Bahnhof Burgdorf. Der rabiate Kahlschlag erfolgte, weil der alte Sandsteinbau von zwei neuen Baukörpern eingezwängt und der Garten gemäss Bauherrschaft «aufgewertet» werden soll.

 

Es konnte mit dem Fällen und Wegräumen der schönen Bäume im alten Park nicht schnell genug gehen. Eine Bekannte sagte mir, die Gärtner hätten Überstunden machen müssen, um pünktlich fertig zu werden. Danach hätten wohl die Baumaschinen auffahren sollen.

 

Hätten. Bis jetzt hat sich jedenfalls nichts mehr getan. Und der baufällige Pavillon am Rand des Areals, den die Bauherrschaft vor etwa zwanzig Jahren errichten liess, um darin das Projekt zu präsentieren und die geplanten neuen Wohnungen zu bewerben, steht noch immer. Diese Ruine hätte ich diesen April zuerst verschwinden lassen, nicht die schöne Kastanie, die stattliche Linde, die duftend blühende Stechpalme, die romantischen Robinien und das geheimnisvolle Ahornwäldchen.

 

Item. Die Bäume sind im vergangenen April gefallen, und rund um die Villa breitete sich nach dieser Aktion triste Ödnis aus.

 

Wie sieht es jetzt, ein paar Monate später, auf dem Areal aus? Eine Art Wunder ist geschehen! Ungewöhnlich dicht stehen die Grossen Kletten, die Robinienstöcke haben buschig ausgeschlagen, hochstielige Disteln blühen, und aus allerlei Kraut und Gesträuch leuchten sogar ein paar Sonnenblumen. Diesen neu entstandenen, üppigen Grüngürtel rund um die Villa als Dschungel zu bezeichnen, wäre ein bisschen übertrieben, aber es kommt ihm bereits recht nahe.

 

Dieses Beispiel zeigt: Die Natur ist unglaublich vital und stark. Der Mensch kann sie verdrängen und verwüsten, er kann sie auch erheblich schädigen. Und wenn er sie genug geschädigt hat, wird er sich damit auf längere Sicht selbst schädigen. Die Natur wird es überleben, der Mensch vermutlich nicht.

 

Nun liegt es seit Urzeiten in der Natur des Menschen, aus der Natur herauszutreten, sie zu bändigen, mitzugestalten und zu überlisten. Damit treiben wir es heute aber eindeutig zu weit. Die Gesetze und Gegebenheiten der Natur, auch die Natur selbst und ihr geheimnisvoller Atem sind uns fremd geworden. So sehr, dass wir uns selber zunehmend fremd werden.

 

Deshalb rufe ich mit Rousseau: Zurück zur Natur! Dies muss ja nicht gleich zurück in die Steinzeit oder die vorindustrielle Agrargesellschaft bedeuten. Ein bisschen zurück zum Natur- und damit zum Menschenverstand, zurück zu Mass und Augenmass, tut es auch.