Botschaft für malochende Machos

Jüngst weilte ich bei einem Freund, der eine Pension für Saisonarbeiter betreibt. Seine Gäste seien einfache Männer, berichtete er, ohne Sinn für Hochkultur und Schöngeistiges. «Sie brauchen einen Grill, ein Bier, ab und zu einen Actionfilm und am Wochenende ein bisschen Sex, dann wird es für sie erträglich.» Erträglich, fern von der osteuropäischen Heimat und ihren Familien einem schlecht bezahlten Job nachzugehen. «Alkohol ist für diese Männer sehr wichtig, zu wichtig», schob der Herbergsvater nach.

 

Mein theologisches Gen schlug gedanklich sofort einen Bogen zur Kirche. Zu jener Institution, der ich als Mitglied und Journalist wohlwollend und zugleich kritisch gegenüberstehe. Was hätte die Kirche solchen Männern zu sagen? Hat sie ihnen überhaupt etwas zu sagen?

 

Die Kirche, die ich aus meinem Umfeld kenne, steht meilenweit ausserhalb der Lebenswelt jener osteuropäischen Gastarbeiter, die mein Bekannter beschrieben hat. «Meine» Kirche spricht eine schwierige Sprache. Sie spricht von Gnade, Vergebung, Versöhnung, dem Ostergeschehen, dem Pfingstwunder, der Apokalypse des Johannes, der Parusie und den vier reformatorischen «Soli». Sie veranstaltet Gottesdienste, in denen der Geistliche dem meist akademisch gebildeten Publikum die genaue Bedeutung und zahlreichen Nebenbedeutungen einer hebräischen oder altgriechischen Vokabel erläutert, die für die Auslegung des gewählten Bibeltextes von zentraler Bedeutung ist.

 

Zudem ist mir eine Kirche vertraut, die sich zu politischen Geschäften äussert, bei Fairtrade-Kampagnen mitmacht, unter dem Stichwort «Bewahrung der Schöpfung» eine grüne Ader entwickelt hat und sich für die Rechte von Frauen, Homosexuellen und ethnischen Minderheiten einsetzt. Das alles ist lobens- und unterstützenswert – und doch frage ich mich: Fühlen sich hart malochende Machos von einer Institution angesprochen, die die Gesellschaft über zeitgeistige Sprachregelungen gerechter machen möchte und den Stern von Bethlehem durch das Gendersternchen ersetzt? Die den kraftstrotzenden biblischen Gott den Herrn zu einer sterilen Gött*in verschneidet?

 

Der gelernte Bauarbeiter und charismatische galiläische Wanderprediger Jeschua Ben Mirjam, der als Jesus Christus Weltgeschichte geschrieben hat, ging zu den einfachen, verkannten und unterdrückten Menschen. Er war einer von ihnen und sprach ihre Sprache. Ihnen sagte er: Ihr seid das Salz der Erde. Ihr seid das Licht der Welt. Und verkündete: Das Gottesreich ist nahe! Die Menschen hörten es, verstanden es und schöpften Hoffnung. Aus dem Wandern und Wirken von Jesus wurde eine Bewegung.

 

Zwei Jahrtausende sind vergangen seither. Die Botschaft vom nahen Gottesreich wird nicht mehr wirklich geglaubt. Auch die Geschichte von der Auferstehung weckt in heutigen rationalen Zeiten eher Misstrauen denn Hoffnung. Die frohe Kunde für die Gegenwart müsste also anders lauten. Vielleicht so: Die ökologischen, feministischen und antirassistischen Weltretter*innen sind da! Überzeugend? Kaum.

 

Ich bin weit davon entfernt, solche Engagements zu belächeln. Sie sind ein unverzichtbarer Teil des kirchlichen Lebens und Wirkens. Aber sie taugen nicht als Botschaft von spiritueller Kraft. Mit säkular zurechtgestutzten und leicht zuckrig schmeckenden Formeln schafft man keinen neuen Himmel und keine neue Erde. Ich bin sicher, Jeschua Ben Mirjam hätte eine Botschaft für das heutige «Salz der Erde». Eine einfache, kraftvolle und glaubwürdige Botschaft. Wie sie wohl lauten würde? Das wüsste ich nur zu gerne. Meine Kirche jedenfalls tut sich damit schwer.