Wir Kinder aus Öko-Bullerbü

Zuerst das Bekenntnis: Auch ich bin über den Klimawandel besorgt, und auch ich erachte es als Gebot der Stunde, die globale Erwärmung so weit als möglich zu bremsen. Diese Aufgabe wird nach dem Ukraine-Krieg mit Sicherheit auch wieder vermehrt ins öffentliche Blickfeld rücken.

 

Gerade die ökologische Frage führt mir aber einmal mehr vor Augen, wie gespalten ich in vielem bin. «Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust», um es mit Goethes Faust zu sagen. Wenn ich ein Anliegen gut, wichtig und richtig finde, sehe ich oft auch gleich die Kehrseite. Wer zu etwas Ja sagt, sagt damit immer auch Nein zu etwas anderem.

 

Verzicht tut weh

Das grosse Problem, einen wahrhaft nachhaltigen (und nicht nur pseudo-ökologischen) Lebensstil breit durchzusetzen, besteht darin, dass ein solches Leben auf einschneidendem Verzicht und konsequenter Disziplin beruht. Der Gedanke, künftig in einer Ökosiedlung zu leben, in der die Bewohner Buchenasche statt Seife verwenden, nur Gemüse und Nüsse essen, mit Hacke und Harke das eigene Sojafeld hinter der Jurte bestellen, Kleider aus umweltfreundlichem Kork tragen und den Hintern mit Moos abwischen, bereitet mir Unbehagen.

 

Dieses Unbehagen dürften viele teilen. Denn das Feuer und Engagement, das ein solcher Lebensstil erfordert, bringen nur jene wirklich auf, die von der Idee der totalökologischen Gesellschaft durchdrungen sind. Alle anderen muss man, wenn man sie schon nicht überzeugen kann, halt nötigen, zwingen und kontrollieren.

 

Big Brother im Ökodörfli

Somit würde jede gesetzlich verordnete Öko-Kommune zugleich zu einem kleinen Kontrollstaat. Kompostiert die liebe Nachbarin wirklich alles, was sich kompostieren lässt? Überheizt Tim seine Rindenhütte im Winter nicht ständig, und benutzt Hanna für ihre selbst gestrickte Unterwäsche wirklich nur Wolle mit minimalem ökologischem Fussabdruck? Und da ist noch dieser verdächtige Neuzuzüger, der, wie man munkelt, heimlich Fleisch frisst… Aus seiner Küche riecht es gelegentlich nach verpönter Speise.

 

Ich weiss, ich weiss. Mit diesem Öko-Bullerbü zeichne ich eine Karikatur. In Wahrheit wird es wohl ein bisschen anders kommen. Der ökologische Weg führt dank neuer Technologien nicht unbedingt zurück in die Bronzezeit. Packen wir die Aufgabe also zuversichtlich an und transformieren wir die Gesellschaft in Richtung Nachhaltigkeit. Falls es aber darauf hinausläuft, dass wir zur Energiegewinnung auf das Methan unserer eigenen Fürze setzen, steige ich wieder aus.